Gründe für eine Verbeamtung

Für eine Rückkehr zur Verbeamtung gibt es aus unserer Sicht zwei maßgebliche Gründe:

  1. Berlin kann seine Position im Wettbewerb um qualifizierte Lehrkräfte nur durch die Rückkehr zur Verbeamtung verbessern.
  2. Der Ausstieg aus der Verbeamtung von Lehrkräften als Sonderweg des Landes Berlin hat massive finanzielle Belastungen des Landeshaushalts zur Folge, obwohl der Beamte am Ende teurer ist als der Tarifbeschäftigte.

Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass viele Lehramtsanwärter eine Einstellung in den Bundesländern bevorzugen, in denen sie verbeamtet werden. Aus ihrer Perspektive liegt dies auch auf der Hand, da das Nettoenkommen einer beamteten Lehrkraft selbst unter Berücksichtigung der Verbesserung des Entgelts von tarifbeschäftigten Lehrkräaft am Anfang ihres Berufslebens und der von den Beamten selbst zu zahlenden Krankenversicherung spürbar höher ist. Da außer Berlin kein anderes Bundesland nicht mehr verbeamtet, hat Berlin seine im Grunde guten Voraussetzungen für den Wettbewerb um ausgebildete junge Lehrkräfte - attraktive, lebendige Stadt mit unüberschaubaren kulturellen Angeboten u.v.m. - ohne Not zerstört und muss deshalb in einem Umfang auf nicht regulär ausgebildete Lehrkräfte zurückgreifen wie kein anderes Bundesland.

Auf den ersten Blick erschließt sich dagegen nicht, warum der Ausstieg aus der Verbeamtung der Lehrkräfte zu enormen finanziellen Belastungen für das Land Berlin in den dem Ausstieg aus der Verbeamtung folgenden 50 Jahren führt, obwohl die Kosten für eine beamtete Lehrkraft unter Berücksichtigung ihrer Pension höher sind als die für eine tarifbeschäftigte Lehrkraft. Diesen Widerspruch wollen wir in vier Schritten auflösen.


Erster Schritt:  Da es uns nur um die Auswirkungen der Veränderung des Status der Beschäftigten geht, können wir als Maßstab für die Entwicklung der Pensionslasten die Zahl der aktuell vorhandenen Versorgungsempfänger heranziehen. Nach dem letzten Versorgungsbericht des Finanzsenators ist die Zahl der Versorgungsempfänger aus dem Schuldienst von 2004 – dem Beginn des Verzichts auf Verbeamtung – bis 2020 von gut 11.000 auf 22.000 gestiegen. Die Zunahme ist auf die deutliche Erhöhung der Zahl der Lehrkräfte in den siebziger und Anfang der achtziger Jahre und auf die seitdem gestiegene Lebenserwartung zurückzuführen. In demselben Bericht wird die Zahl der Versorgungsempfänger aus dem Schuldienst für 2035 ebenfalls auf 22.000 beziffert, gegenüber heute bleibt diese Zahl  also unverändert. Daraus ergibt sich, dass der Verzicht auf eine Verbeamtung von Lehrkräften für einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren keine Auswirkungen auf die Pensionslasten des Landeshaushalts hat. Bei einem Vergleich der finanziellen Auswirkungen für den Berliner Landeshaushalt können wir uns für einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren also auf den Vergleich der Kosten der aktiven Lehrkräfte beschränken.

Betrachten wir in einem zweiten Schritt die Entwicklung der Zahl der Tarifbeschäftigten seit 2004, dann stellen wir fest, dass diese Zahl sich von 4.000 auf 22.000 erhöht hat, also um 18.000 gestiegen ist. Wenn Berlin weiter an dem Verzicht auf Verbeamtung von Lehrkräften festhält, dann werden in etwa 15 Jahren alle aktiven Lehrkräfte Tarifbeschäftigte sein. Nach heutigen Prognosen wären es dann rund 30.000 mehr als 2004.

Im dritten Schritt vergleichen wir jetzt die Kosten für alle aktiven Lehrkräfte, wie sie heute anfallen, mit den Kosten, die ohne Verzicht auf Verbeamtung angefallen wären. Da eine aktive Lehrkraft im Status der Tarifbeschäftigten wegen der Beiträge zu den Sozialversicherungen rund 20.000 EURO mehr kostet als eine aktive Lehrkraft im Beamtenverhältnis und es im Jahr 2020 rund 18.000 Tarifbeschäftigte Lehrkräfte mehr gab als 2004, sind im letzten Jahr wegen des Verzichts auf Verbeamtung rund 360.000.000 (in Worten: dreihundertsechzig Millionen) EURO mehr ausgegeben worden als bei Fortsetzung der Verbeamtung. Selbst wenn man diese Zahl aus verschiedenen Gründen etwas relativieren kann, bleibt eine Mehrbelastung in einer Dimension von 300 bis 350 Mio. EURO in einem einzigen Jahr.

Betrachtet man in einem vierten Schritt die Entwicklung dieser Mehrbelastungen, dann liegt es auf der Hand, dass sie seit 2004 in dem Maße angestiegen sind, in dem beamtete Lehrkräfte durch tarifbeschäftigte ersetzt wurden. Sie werden weiter steigen bis zu dem Zeitpunkt, an dem alle beamteten durch tarifbeschäftigte Lehrkräfte ersetzt wurden. In diesem Jahr – es wäre etwa 2035 – würden die Mehrbelastungen bei 600 Mio. EURO liegen (= 30.000 x 20.000 EURO). Danach würden die Mehrausgaben Jahr für Jahr fallen. Nach unseren Berechnung gäbe es um das Jahr 2055 keine Mehrausgaben mehr. Erst danach würden sich die geringeren Kosten des einzelnen Tarifbeschäftigten auszuwirken beginnen. Bis dahin aber wären Mehrausgaben von weit über 10.000.000.000 (in Worten: zehn Milliarden) EURO angefallen.

Wichtig ist noch, dass sich diese Mehrbelastungen für den Landeshaushalt nur ergeben, wenn ein einzelnes Land wie Berlin aus der Verbeamtung einer Gruppe von Beschäftigten wie der der Lehrkräfte aussteigt und die Trennung der Versorgungssysteme „Rente“ und „Beamtenpension“ fortbesteht.  Die vernünftige Lösung des Problems bestünde darin, dass die Länder sich zur Verbesserung der Transparenz der Haushaltspläne auf die Einrichtung einer Beamtenkasse verständigen, aus der die Beamtenpensionen in allen Ländern, beim Bund und den Kommunen gezahlt werden und die aus den für die Pensionen vorgesehenen Beträge jeweils anteilig finanziert würden. Nur für diese Lösung wird es in absehbarer Zeit keine politische Mehrheit geben.

Der Ausblick auf einen Zeitraum von über 50 Jahren und die dabei anfallenden Beträge mag einem sehr abstrakt vorkommen, wird sich bis dahin doch viel verändern. Greifbar und nachvollziehbar sind aber die durch die Rückkehr zur Verbeamtung jetzt vermeidbaren Mehrbelastungen von 300 Mio. EURO im Jahr und mehr. Nicht nur wegen der Gewinnung von qualifizierten Lehrkräften für den Schuldienst in Berlin, sondern auch aus finanziellen Gründen ist es also ein Gebot der Vernunft, in der Berliner Situation jetzt zur Verbeamtung von Lehrkräften zurückzukehren.

In der nachfolgenden Darstellung werden alle aus unserer Sicht relevanten Aspekte des Verzichts auf Verbeamtung anhand statistischer Daten und eigener Modellierung durchleuchtet. Dabei geht es um

  • den Wettbewerb um qualifizierte Lehrkräfte
  • den Kostenvergleich und das Nettoeinkommen nach Statusgruppen,
  • den Kostenvergleich unter Einschluss der Altersversorgung der Beamten
  • die finanziellen Auswirkungen des Ausstiegs aus der Verbeamtung von Lehrkräften,
  • die spiegelbildlichen Auswirkungen eines Einstiegs in die Verbeamtung,
  • die Reaktionen auf unsere Vorschläge aus Politik und Verwaltung und
  • die weiteren Aufgaben.


Fahlbusch-Volbracht-Pörksen: Verbesserung der Unterrichtsversorgung und Schuldenabbau, Zusammenfassende Darstellung der Folgen des Verzichts auf Verbeamtung in Berlin vom 17.09.2020

(Hinweis: Die Darstellung wird zeitnah aktualisiert.)



Lehrkräfte in Berlin verbeamten
Ein Gebot der Vernunft